Geerdetes Yoga: Eine Praxis ohne Handgelenksbelastung

Viele Yogaübungen – wie der herabschauende Hund, die Plank oder der Handstand – beanspruchen die Handgelenke stark. Doch was tun, wenn eine Verletzung, Überlastung oder chronische Beschwerden eine normale Yogapraxis unmöglich machen? Zum Glück musst du nicht auf Yoga verzichten. Mit einigen Anpassungen kannst du deine Praxis handgelenkschonend gestalten und dabei sogar neue Aspekte deines Körpers entdecken.

Statt dich auf das zu konzentrieren, was gerade nicht geht, frag dich: Was ist möglich? – Denn Yoga lebt nicht vom Perfektionismus, sondern von Bewusstsein und Anpassung.

Biomechanisches Fundament: Stabilität ohne Hände

Wenn die Stützkraft der Hände wegfällt, verlagert sich der Fokus auf andere Kontaktpunkte und interne Mechanismen. Erdung, Atmung und muskuläre Balance werden zum Schlüssel.

1. Die Kraft der Füße und des Beckens

In einer geerdeten Praxis wird die Stabilität von unten nach oben aufgebaut. Beim Stehen bilden die Füße das Fundament: Ferse, Großzehenballen und Kleinzehenballen drücken gleichmäßig in den Boden – das sogenannte Fußdreieck. Diese bewusste Erdung aktiviert die Beinmuskulatur, richtet das Becken auf und schafft Länge in der Wirbelsäule. 

Im Sitzen übernehmen die Sitzbeinhöcker die Erdung. Drückst du sie aktiv in den Boden, richtet sich deine Wirbelsäule auf – besonders spürbar in Drehungen und Vorbeugen.

2. Die zentrale Rolle des Zwerchfells

The Diaphragmatic breathing ist ein unterschätzter Motor der Aufrichtung. Mit jeder Einatmung bewegen sich die Rippen nach außen, der Brustkorb entfernt sich vom Becken und die Wirbelsäule gewinnt Länge. Gleichzeitig sorgt die Atmung für innere Stabilität – ganz ohne Druck auf die Handgelenke.

3. Aktivierung der Körperrückseite

Ein weiterer Fokus in einer handgelenkschonenden Praxis sind die Oberschenkelrückseiten und die tiefe Bauchmuskulatur. Werden die hinteren Oberschenkel aktiviert (z. B. durch das Ziehen der Fersen Richtung Körper beim Beckenschieben), stabilisiert das Becken die Wirbelsäule ohne übermäßige Spannung im Gesäßmuskel. Das schützt die Lendenwirbelsäule und gleicht einseitige Belastungen aus.

Fünf Übungen für Yoga ohne Handgelenke

Wenn du eine komplette Praxis ausprobieren möchtest, findest du hier meine 90-minütige Sequenz:

Alternativ kannst du mit diesen fünf Übungen starten:

1. Berghaltung mit gestreckten Armen (Utthita Hastasana)

  • Starte im Stehen (Tadasana), eventuell mit einem Block zwischen den Oberschenkeln, und einem zwischen den Waden (siehe Foto), um die Aktivierung zu fördern.
  • Drücke das Dreieck unter deinen Füßen (Ferse, Großzehenballen, Kleinzehenballen) bewusst in den Boden.
  • Hebe deine Arme lang über den Kopf, die Handflächen zeigen zueinander. Achte darauf, dass deine Schultern entspannt bleiben und nicht zu den Ohren hochziehen.
  • Stelle dir vor, jemand zieht dich an den Händen nach oben, um Länge in deinen gesamten Körper zu bringen.
  • Aktiviere dabei leicht deine Bauchmuskeln, um nicht ins Hohlkreuz zu verfallen.

Diese Übung dient der maximalen Aufrichtung der Wirbelsäule und lehrt die tiefe Erdung über die Fußpunkte.

2. Vorbereitung für Setu Bandhasana (Beckenschaukel mit Block)

  • Lege dich auf den Rücken und stelle die Füße auf dem Boden auf, hüftbreit entfernt, die Zehen zeigen nach vorne.
  • Platziere einen Block (zweite Breite) zwischen die Knie.
  • Ziehen die Fersen leicht zum Körper hin, um die Oberschenkelrückseiten zu aktivieren.
  • Drücke den unteren Rücken leicht in den Boden, indem du die Bauchmuskulatur aktivierst.
  • Rolle das Becken ein kleines Stück vom Boden weg, wobei der untere Rücken so rund wie möglich bleibt.
  • Achte darauf, dass das Gesäß (der große Muskel) gelöst bleibt; die Arbeit kommt von den Oberschenkelrückseiten.
  • Halte die Arme lang über den Kopf gestreckt.
Stärkt gezielt die Oberschenkelrückseiten und die Bauchmuskulatur, verbessert die Rumpfstabilität und hilft dem Körper dabei, das Becken in einer neutralen Position zu halten. Ein neutrales Becken beugt indirekt Handgelenksprobleme vor, denn jede Abweichung der Beckenposition (Hohlkreuz, Rundrücken, lateraler Shift, etc.) beeinflussen das Alignment des restlichen Körpers negativ, was wiederum zu Beschwerden führen kann.

3. Gedrehte Rückenlage (Supine Twist)

  • Lege dich auf den Rücken und setze das Becken ein Stückchen zum rechten Mattenrand.
  • Strecke das linke Bein lang aus.
  • Nehme das rechte Bein in einen 90/90-Grad-Winkel und lasse es langsam komplett nach links rüberfallen (Drehung).
  • Die linke Hand liegt auf dem rechten Knie.
  • Öffne den rechten Arm nach rechts zur Seite.
  • Schiebe die rechte Seite des Beckens aktiv von dir weg, um Länge in die Flanke zu bringen. Halte das untere (linke) Bein aktiv.
Eine passive Dehnung und Mobilisierung der Wirbelsäule, die Spannungen im unteren Rücken löst und die myofasziale Balance der seitlichen Körperlinien unterstützt. 

4. Trikonasana (Dreieckshaltung)

  • Beginne in einem breiten Ausfallschritt (z.B. links vorne).
  • Der vordere Fuß ist 90° ausgedreht und in einer Linie mit der Yogamatte. Die Zehen des hinteren Fußes sind leicht nach innen ausgerichtet.
  • Fokussiere dich auf den vorderen Fuß und drücke die drei Erdungspunkte (Ferse, Großzehenballen, Kleinzehenballen) aktiv in den Boden. Du kannst dir, wie im Foto ersichtlich, zwei Blöcke dazunehmen, um noch mehr das Gefühl von Erdung zu haben.
  • Hebe die Arme an, die Schultern bleiben entspannt und beuge dich langsam zur Seite ins Trikonasana.
  • Nutze den Druck des vorderen Fußes, um den Schulterbereich aufzurichten & den Brustkorb in Richtung Himmel zu öffnen.
Baut Stabilität in den Beinen auf, lehrt die bewusste Erdung durch das Fußdreieck und verbessert die Haltung, indem die Stabilität der Füße zur Aufrichtung der Wirbelsäule beiträgt.

5. Entspannte Schmetterlingshaltung (Baddha Konasana)

  • Setzen dich erhöht auf ein Kissen oder einen Block, um die Aufrichtung zu erleichtern.
  • Bringen die Fußsohlen aneinander, die Füße sind entspannt und etwas vom Körper entfernt.
  • Richte die Wirbelsäule auf, indem du die Sitzbeinhöcker bewusst in den Boden drücken.
  • Lehne dich langsam mit langem Rücken nach vorne, bis du den Punkt erreichst, an dem der Rücken von selbst rund werden möchte. Ab diesem Punkt darfst du den Oberkörper entspannt fallen lassen und den Kopf (Stirn) auf Hilfsmittel (z.B. einen oder zwei Blöcke) ablegen, um eine Erdung des Kopfes zu schaffen.
  • Setzen dich erhöht auf ein Kissen oder einen Block, um die Aufrichtung zu erleichtern.
  • Bringen die Fußsohlen aneinander, die Füße sind entspannt und etwas vom Körper entfernt.
  • Richte die Wirbelsäule auf, indem du die Sitzbeinhöcker bewusst in den Boden drücken.
  • Lehne dich langsam mit langem Rücken nach vorne, bis du den Punkt erreichst, an dem der Rücken von selbst rund werden möchte. Ab diesem Punkt darfst du den Oberkörper entspannt fallen lassen und den Kopf (Stirn) auf Hilfsmittel (z.B. einen oder zwei Blöcke) ablegen, um eine Erdung des Kopfes zu schaffen.
Fördert eine tiefe Hüftöffnung, nutzt die Sitzbeinhöcker zur Erdung und ermöglicht eine regenerative, beruhigende Vorbeuge, da der Kopf durch die Auflagefläche gestützt wird und Anspannung loslassen kann.

Fazit: Yoga trotz Handgelenksproblemen

Eine Yogapraxis ohne Handgelenke ist nicht nur möglich, sie eröffnet sogar neue Zugänge: mehr Bewusstsein für die Füße, das Becken und die Atmung. Solltest du an chronischen Beschwerden in den Hangelenken leiden, mache dir immer bewusst, dass der restliche Körper (und insbesondere die Position des Beckens) maßgeblich die Ausrichtung sämtlicher Gelenke und somit auch des Handgelenks beeinflussen. 

Ob du an einer Verletzung leidest, präventiv übst oder einfach Abwechslung suchst – handgelenkschonendes Yoga ist eine wertvolle Ergänzung für deine Praxis.

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