Die Kraft der Zwerchfellatmung im Yoga

Wie bewusste Atmung deine Praxis vertiefen und deinen Körper entspannen kann

In der Yogapraxis spielt die Atmung eine zentrale Rolle. Sie verbindet Körper und Geist, lenkt unsere Aufmerksamkeit nach innen und kann, richtig eingesetzt, die Mobilität des gesamten Körpers deutlich steigern. Hierfür ist das Durchführen der Zwerchfellatmung ein wichtiges Tool. In diesem Artikel zeige ich dir, wie du die Zwerchfellatmung im Yoga bewusst einsetzen und in verschiedenen Positionen üben kannst.

Was ist die Zwerchfellatmung?

Die Zwerchfellatmung nutzt unseren wichtigsten Atemmuskel – das Zwerchfell – um den Atem bewusst in den unteren Bereich des Brustkorbs zu lenken. Statt einer flachen Brustatmung oder einer reinen Bauchatmung, die häufig im Yoga bevorzugt wird, atmest du tief in den Rippenbereich ein. Dabei dehnen sich die unteren Rippen vor allem seitlich aus und ziehen sich mit der Ausatmung wieder zusammen. Währenddessen senkt sich mit der Einatmung das Zwerchfell zusammen mit dem Beckenboden nach unten ab und hebt sich bei der Ausatmung zurück in Richtung Brustkorb. Dadurch kommt es zu einer Ausweitung des gesamten Oberkörpers und des Beckens bei der Einatmung und ein sanftes Zusammenziehen unter leichter Aktivierung der seitlichen Bauchmuskulatur bei der Ausatmung. Dadurch hat die Zwerchfellatmung so einen positiven Einfluss auf unsere Mobilität und nicht zuletzt auf unsere schlanke Linie durch das sanfte Training der Bauchmuskeln.

Warum die reine Bauchatmung keine gute Atemtechnik im Alltag ist?

In vielen Yogaklassen wird betont, dass wir in den Bauch atmen sollen. Dies kann zur Beruhigung des Nervensystems beitragen und hat sicherlich deshalb auch einen Platz in Yogastunden. Allerdings befindet sich die Lunge im Brustkorb und unser Hauptatemmuskel, das Zwerchfell, sich im Bereich der unteren Rippen, also ebenfalls noch im Brustkorb.

Eine reine Bauchatmung nutzt deshalb nicht ausreichend gut, unsere vollständige Atemfähigkeit und kann insbesondere bei Menschen mit Hohlkreuz dazu beitragen, dieses noch zu verstärken.

Wer im Yoga und im Alltag überwiegend die Bauchatmung (oder auch eine sehr flache Brustatmung) praktiziert, hat häufig Schwierigkeiten, die Rippen während der Zwerchfellatmung in Bewegung zu bringen, da zu viele Verspannungen im interkostalen Bereich (Bereich zwischen den Rippen) sind. Genau deshalb kann das alleinige Ändern der Atmung von einer Bauch- zu einer Zwerchfellatmung während der Yogastunde und/oder im Alltag eine enorme Änderung im Körper hervorrufen. Insbesondere Nacken-, Kiefer-, Schulter- und Rückenschmerzen können reduziert bzw. es kann ihnen vorgebeugt werden.

Die Zwerchfellatmung üben

Ich habe dir ein 90-minütiges Yogavideo aufgenommen, in dem der Fokus auf der Zwerchfellatmung liegt. Dieses findest du hier:


Alternativ findest du nachfolgend einige Übungen, die du durchführen und bei denen du die Zwerchfellatmung besonders gut spüren kannst:

1. Ankommen: Beobachte deinen Atem

  • Setz dich in einen bequemen Sitz, z.B. in den Schneidersitz – gerne auf ein Kissen oder einen Block.
  • Roll die Schultern nach hinten unten
  • Schließe die Augen und nimm dir einen Moment, um einfach nur zu beobachten:
    Wie fließt dein Atem? Wie fühlt sich der Luftstrom in deinen Nasenlöchern an? Wo bewegt sich dein Körper mit der Atmung?
  • Dann beginne bewusst, in deine seitlichen Rippen zu atmen. Leg dafür die Hände an die unteren Rippen und spüre, wie sie sich mit jeder Einatmung weiten – zur Seite, nach vorne, vielleicht sogar nach hinten. Mit jeder Ausatmung ziehen sich die Rippen wieder zusammen.
  • Bleibe hier für 10-15 tiefe Atemzüge
Tipp: Stell dir die Bewegung innerlich vor, falls du sie noch nicht deutlich spürst.

2. Adho Mukha Virasana mit seitlicher Dehnung

  • Setz dich in die Haltung des Kindes (Adho Mukha Virasana): Knie geöffnet, große Zehen zusammen, Oberkörper nach vorne abgelegt.
  • Atme bewusst in den Zwerchfellbereich und spüre, wie deine Rippen gegen deine Oberschenkel drücken. Wenn du diese Verbindung nicht spürst, bring die Knie etwas näher zusammen.
  • Wandere mit den Armen zur linken Seite und lege deinen Bauch auf deinem linken Oberschenkel ab.
  • Atme gezielt in die gedehnte rechte Flanke und verbleibe hier für 6-8 tiefe Atemzüge.
  • Möchtest du die Intensität steigern, komm auf die Fingerspitzen.
  • Danach wechsle die Seite: Arme wandern nach rechts, du atmest bewusst in die linke Flanke. So trainierst du gezielt die Beweglichkeit und Wahrnehmung deiner Rippen auf beiden Seiten.

3. Tiefe Atmung in Malasana

  • Komm in eine tiefe Hocke (Malasana).
  • Falls nötig, hebe die Fersen an oder nutze Blöcke zur Unterstützung.
  • Roll die Schultern zurück, schließe die Augen und atme in deinen unteren Brustkorb. Spüre, wie der Zwerchfellbereich sanft gegen die Oberschenkel drückt.
  • Versuche, die Ausweitung deines Brustkorbs in alle Richtungen zu lenken, also nicht nur frontal und seitlich, sondern auch nach hinten in den Rücken.
  • Verbleibe hier für 6-8 tiefe Atemzüge

4. Tadasana mit Zwerchfellatmung

  • Nimm zwei Blöcke. Einen klemmst du zwischen deine Oberschenkel, den anderen zwischen deine Unterschenkel, dort wo die Muskulatur am ausgeprägtesten ist. So aktivierst du die Beinmuskulatur.
  • Richte den Oberkörper auf, zieh dich lang nach oben und lasse die Schultern nach hinten unten fallen.
  • Lege eine Hand auf die unteren vorderen Rippen, die andere (mit dem Handrücken) auf den mittleren Rücken.
  • Spüre bei der Einatmung die Ausweitung nach vorne und hinten. Diese Atmung ist nicht leicht – arbeite gerne mit deiner Vorstellungskraft.
  • Wenn du magst, kippe dann das Becken leicht nach hinten, gehe in eine sanfte Rundung und spüre, ob du nun noch mehr Atmung in den Rücken bringen kannst.
  • Verbleibe hier für 6-8 Atemzüge.

5. Balance mit Atmung: Der Baum (Vrikshasana)

  • Bring die Hände vor dem Herzen zusammen
  • Verlagere dein Gewicht auf das rechte Bein
  • Komme in eine Variation des Baumes: Fuß am Boden, am Schienbein oder weiter oben – ganz wie du magst.
  • Konzentriere dich auf deine Atmung und beginne dann mit einer fließenden Bewegung:
    Einatmung: Arme weit zur Seite öffnen, Handflächen zeigen nach außen
    Ausatmung: Hände zurück ins Namaskara Mudra
  • Synchronisiere deinen Atem mit der Bewegung.
  • Bleibe hier für 6-8 Atemzüge und wechsle dann die Seite.

6. Rückbeuge im Liegen mit Block oder Kissen

  • Leg dich auf den Rücken
  • Platziere einen Block oder ein Kissen unter dem oberen Rücken, direkt unterhalb der Halswirbelsäule.
  • Achte darauf, dass dein Kopf bequem liegt – nutze gegebenenfalls eine gefaltete Decke.
  • Lass die Arme in 90° ausgebreitet liegen oder hebe sie über den Kopf.
  • Finde deine tiefe Zwerchfellatmung. Spürst du Unterschiede zwischen linker und rechter Seite? Bringe hier gerne auch die Hände an die Rippen für mehr Feedback.
  • Wenn du magst, bringe zusätzlich die Atmung in Richtung Schlüsselbeine – der Brustkorb hebt sich, die Schultern bleiben entspannt.
  • Für die letzte Intensivierung strecke Arme und Beine in die Länge, verschränke optional die Hände über dem Kopf, atme tief.
  • Bleibe für 6-8 Atemzüge in dieser Position

Fazit: Zwerchfellatmung als Schlüssel zur Mobilität

Die bewusste Atmung in den Zwerchfell- und Rippenbereich hilft dir nicht nur, körperlich zu entspannen – sie ist ein direkter Weg zu mehr Mobilität, Körperbewusstsein, innerer Ruhe und einer tieferen Verbindung mit dir selbst. Integriere diese Techniken regelmäßig in deine Yogapraxis, um sie mit jedem Atemzug weiter zu verfeinern.

Tipp: Wenn du dir unsicher bist, ob du richtig atmest – leg die Hände an die Rippen. Dein Körper gibt dir über Berührung das ehrlichste Feedback.

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