Yoga für Männer: Mehr Beweglichkeit im Becken durch asymmetrische Praxis

Viele Männer erleben das Becken als einen Bereich von Einschränkung, Spannung oder Instabilität. Yoga ist zwar allgemein als gute Methode zum Lösen von Spannungen und Bewegungseinschränkungen bekannt, heutzutage sind in den meisten Yogastunden allerdings mehr Frauen als Männer anwesend. Dadurch gibt es wenig gezielte Angebote für Männer (obwohl Yoga traditionell für junge Männer war).

Vielen Yogalehrern fehlt das anatomische Wissen, um gezielt die Praxis auf den männlichen Körper anzupassen. Eine geeignete Yogapraxis für die meisten Männer sollte dabei die gesamte Beckenmobilität berücksichtigen, mit einem Fokus auf die Innenrotation, sowie den Ausgleich asymmetrischer Spannungsmuster, die die Beckenmobilität häufig zusätzlich einschränken.

Warum gerade Männer von gezielter Beckenarbeit profitieren

Das männliche Becken ist anatomisch meist schmaler und stabiler gebaut als das weibliche. Gleichzeitig fehlt oft die elastische Mobilität in der tiefen Bauch-, Becken- und Rumpfmuskulatur. Viele Männer kompensieren fehlende Beweglichkeit durch zu viel Spannung in den Adduktoren, im unteren Rücken oder im Gesäß. Daraus können Beschwerden wie Hohlkreuz, ISG-Probleme, Leistenschmerzen oder eine eingeschränkte Hüftrotation entstehen. Die Kompensationen und Spannungsunterschiede sind dabei oft subjektiv oder objektiv stärker ausgeprägt als bei Frauen.

Asymmetrische Praxis: Warum sie so wirksam ist

Der menschliche Körper ist grundsätzlich asymmetrisch, was durch das sogenannte Left AIC/Right BC Pattern vom Postural Restoration Institute beschrieben wird. Dabei zeigt sich eine funktionelle Asymmetrie, bei der die linke Seite des Beckens nach vorne kippt und insgesamt eine leichte Rotation des Beckens und der Lendenwirbelsäule nach rechts entsteht. Daraus ergeben sich Kompensationen in Rumpf, Rippen und Schultern, die u.a. zu einer zumeist niedrigeren rechten Schulter führen. 

Eine symmetrische Yogapraxis kann diese Dysbalancen oft nicht ausreichend adressieren. Erst durch asymmetrische Übungen – z. B. einseitige Dehnung oder Muskelaktivierung, sowie die Wiederherstellung der Muskelaktivität bestimmter Muskelgruppen (häufig der Oberschenkelrückseiten) – können solche Muster gezielt angegangen werden.

Yoga für ein mobiles und stabiles Becken: Übungsideen

Ich habe eine 60-minütige Praxis speziell für die Bedürfnisse von Männern mit dem Fokus auf Beckenmobilität aufgenommen. Dieses kannst du dir kostenlos auf meinem Youtube Kanal ansehen:

Falls du die Übungen lieber ohne Video für dich selbst durchführen möchtest, findest du nachfolgend einige gezielte Asanas, die besonders für Männer sinnvoll sind – bewusst einseitig ausgeführt, um Asymmetrien gezielt auszugleichen:

1. Einseitige Piriformisdehnung im Liegen
(Supta Kapotasana – Abgewandelte liegende Taube)

  • Lege dich auf den Rücken und stelle beide Füße auf der Matte auf.
  • Hebe den linken Fuß an und platziere die Außenseite deines Knöchels auf deinem rechten Knie.
  • Hebe das rechte Bein vom Boden und greife mit beiden Händen die Rückseite des rechten Oberschenkels.
  • Ziehe das Bein sanft zu dir heran – du spürst eine Dehnung im linken Gesäß.
  • Schaukle gern sanft von links nach rechts. Wenn du die Dehnung vertiefen willst, schiebe das linke Knie aktiv von dir weg. 
  • Führe diese Übung nur auf der linken Seite aus.

Diese Übung hilft dabei, den Piriformis Muskel links zu dehnen, um mehr Bewegungsspielraum für die Innenrotation zu erreichen (linke Seite des Beckens ist entsprechend dem left AIC Patterns in einer stärker auswärts rotierten Position als rechts).

2. Einseitiges “Fahrradfahren” mit Rumpfaktivierung

  • Behalte die Ausgangsposition der vorigen Übung bei: Rückenlage, linker Fuß auf dem rechten Knie abgelegt.
  • Aktiviere deine Bauchmuskulatur, indem du den unteren Rücken in den Boden drückst.
  • Hebe das rechte Bein in einen 90/90-Grad-Winkel (rechter Winkel in der Hüfte und im Knie).
  • Mit der Ausatmung strecke das rechte Bein lang nach oben, der Fuß bleibt geflext.
  • Mit der Einatmung beuge das Bein wieder und bringe es zurück in den 90/90 Grad Winkel.
  • Wiederhole diese Bewegung 5-6 Mal.
  • Senke anschließend das gestreckte Bein langsam Richtung Boden ab.
  • Führe diese Übung nur mit dem rechten Bein aus.

Diese Übung kräftigt den rechten Psoasmuskel, der laut left AIC eine geringere Spannung aufweist als der linke.

3. Scheibenwischer-Variante mit Rotation

  • Lege dich auf den Rücken, stelle die Füße mattenweit auf und lasse die Knie ein paar Mal nach links und nach rechts sinken.
  • Bleibe dann auf der rechten Seite und lege den rechten Fuß auf die Außenseite deines linken Knies.
  • Schiebe die linke Beckenseite sanft von dir weg und aktiviere leicht die Bauchmuskulatur.
  • Strecke optional den linken Arm weiter nach oben, um die linke Flanke zu dehnen, während du tiefe Zwerchfellatemzüge durchführst.
  • Bleibe hier 4–6 tiefe Atemzüge.
  • Führe diese Übung nur zur rechten Seite aus.

Diese Rotationsübung mobilisiert den unteren Rücken und dehnt die linke Seite des Beckens, um mehr Raum für Innenrotation zu schaffen. Außerdem unterstützt sie die Zwerchfellaktivierung auf der linken Seite (zumeist chronisch unteraktiviert im Rahmen des Left AIC/Right BC Patterns).

4. Happy Baby (Ananda Balasana)

  • Greife in Rückenlage die Außenseiten deiner Füße oder Schienbeine, während die Knie nach außen sinken.
  • Halte die Fußsohlen parallel zur Decke und ziehe die Knie sanft in Richtung Achseln.
  • Der untere Rücken bleibt möglichst geerdet.
  • Atme tief und schaukle gern sanft von Seite zu Seite, um das Becken zu mobilisieren.

Diese Übung wirkt beidseitig, hat jedoch einen balancierenden Charakter, der einen Ausgleich nach einseitiger Mobilisationsarbeit bringt. Sie löst Spannung im unteren Rücken, in den Adduktoren und im Beckenboden. Aufgrund der starken Hüftbeugung in dieser Position wird zudem die Auswärtsrotation im Becken gefördert. Häufig ist auch diese Rotation bei Männern limitiert, da das Becken in einer Position “festhängt”. Diese Position ist zwar zumeist bereits eine außenrotierte Position, bedeutet aber nicht, dass eine weitere, aktive Auswärtsrotation möglich ist. Daneben fördert diese Position die Entspannung und die tiefe Atmung, was die Integration der vorherigen Übungen unterstützt.

5. Einseitige Hüftstreckung mit Beckenstabilisierung

  • Lege dich auf den Rücken, ziehe das rechte Knie zu dir heran.
  • Strecke das linke Bein lang aus, als würdest du den geflexten Fuß in eine imaginäre Wand drücken.
  • Der linke Oberschenkel bleibt aktiv zum Boden hin ausgerichtet.
  • Die Bauchmuskulatur ist sanft aktiviert, um Länge in der linken Hüftvorderseite zu schaffen. 
  • Führe auch diese Übung nur einseitig rechts aus.

Diese Übung hilft, eine verkürzte linke Hüftbeugemuskulatur (v. a. Psoas) zu dehnen – ein zentrales Ziel bei der Arbeit mit dem Left AIC Pattern, um die Beckenstellung auszugleichen.

Fazit: Mehr Ausrichtung, weniger Kompensation

Yoga kann Männern helfen, ein tieferes Körperbewusstsein und eine neue Verbindung zum Becken zu entwickeln. Durch gezielte asymmetrische Übungen werden muskuläre Dysbalancen erkannt und ausgeglichen. So entsteht mehr Beweglichkeit, Aufrichtung und Stabilität – im Becken und im gesamten Körper. Denn: Ein stabiles Becken ist die Basis für gesunde Kraftentfaltung und einen ausbalancierten Alltag.

Tipp: Wiederhole die Übungen nicht symmetrisch links und rechts, sondern beobachte, wo du mehr Länge, Verbindung und Ausrichtung brauchst. Hier darfst du bewusst asymmetrisch üben! Noch mehr Informationen und Vorteile einer asymmetrischen Yogapraxis findest du hier.

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